1. Advent


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Martin Luther

1. Advent

Matth. 21, 1-9

Da sie nun nahe an Jerusalem kamen, nach Bethphage an den Ölberg, sandte Jesus seiner Jünger zwei und sprach zu ihnen: Gehet hin in den Flecken, der vor euch liegt, und alsbald werdet ihr eine Eselin finden angebunden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führet sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas wird sagen, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Alsbald wird er sie euch lassen. Das geschah aber, auf daß erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: »Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin.« Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber viel Volks breitete die Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohne Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

Dieses Evangelium hat zwei Stücke. Das erste Stück ist von des Herrn Christus Einzuge, da er zu Jerusalem einreitet. Das andere Stück ist, daß der Herr, wie Lukas schreibt, als er nahe hinzukommt, die Stadt Jerusalem ansieht und über sie weint (Luk. 19, 41-44). Vom ersten Stück müssen wir zuerst reden.

Ihr habt oft gehört, daß ein Christ nicht deshalb so heißt, weil er von Vater und Mutter geboren ist; auch nicht deshalb, weil er Johannes, Petrus, Paulus heißt, sondern deshalb, weil Christus ihm seinen Namen an die Stirne, ja ins Herz geschrieben hat. Denn durch die Taufe sterben wir, und da wird zu uns gesagt: Du Mensch, der du bisher ein Adamskind gewesen bist, Hans, Peter, Paul geheißen hast, du sollst nicht mehr allein ein Mensch, sondern sollst auch ein Christ heißen, Ein Mensch heißt, wer aus Fleisch und Blut geboren wird; aber ein Christ heißt, wer getauft und mit Christi Blut in der Taufe von Sünden abgewaschen ist: der soll diesen Namen führen und ein Christ heißen. Wenn man dich fragt und spricht: Wie heißt du so mit dem neuen Namen ein Christ? heißt du doch sonst Hans, Peter, Paul? Kannst du also antworten und sagen: Ja, von meinem Vater bin ich Hans, Peter, Paul genannt worden, aber ein Christ bin und heiße ich deshalb, weil ich mit Christi Blut getauft und gewaschen bin. Von dem Mann Christus heiße ich ein Christ. Er heißt Christus, ich heiße ein Christ, nicht von meinem heiligen Leben, sondern deshalb, weil ich Christus in der Taufe angezogen habe und mir sein Name an meine Stirne geschrieben, ja in mein Herz gedrückt ist.

Das will nun dieses Evangelium, daß wir den König, von dem wir den Namen haben, daß wir Chri-
sten heißen, empfangen sollen. Denn wenns zum Ster ben kommt, so stirbt Johannes, Petrus, Paulus dahin, aber ein Christ stirbt nicht. Ich sehe, daß Johannes, Petrus, Paulus begraben wird, aber ein Christ stirbt nicht, wird auch nicht begraben, sondern lebt. Darum wenn ich als Petrus, Paulus sterbe, da kommts nicht drauf an. Weil ich aber ein Christ bin, soll der Petrus, Paulus wieder aus dem Grabe hervorkommen. Denn Christus, von dem ich den Namen habe, sagt es selbst, daß wir als Christen wieder aus dem Grabe hervor müssen, auf daß wir so glauben lernen, was wir durch diesen König haben: nämlich Erlösung von Sünde, Tod und Hölle. Und das ists auch, was der Prophet Sacharja, welchen der Evangelist hier anführt, sagt (9, 9): Siehe, dein König, der dich retten und schützen will, kommt zu dir sanftmütig, fromm und hilfreich. Er ist voll Gerechtigkeit und kommt zu dir, dich fromm zu machen; er ist voll Lebens und kommt zu dir, das Leben zu schenken. Das heißt Christus, und daher heißen wir Christen.

Das ist die hohe Predigt, die wir gerne hören und Gott dafür danken sollen, auf daß wir, wenn wir sterben sollen, zuverlässigen Trost haben und sagen können: Ich, Hans, Paul, Peter, liege hier und bin krank; aber weil ich ein Christ bin, will ich auf Christus, von dem ich den Namen führe, sterben und bleiben, wo er ist. So fährt Hans, Paul, Peter nicht in die Hölle, bleibt auch nicht im Tode, sondern fährt in Christi Schoß und lebt.
  
Das ist eine andere Predigt als die, welche man von guten Werken lehrt. Wahr ists: Hans, Paul, Peter müssen und sollen gute Werke tun, aber diese Predigt geht höher. Wenn du, Hans, Nickel, Paul, Peter, fromm bist und gute Werke tust, so mußt du noch etwas mehr haben, nämlich daß du ein Christ seiest und von Herzen sprechest: Ich glaube an Jesus Christus. Dieser König kommt zu mir mit aller Sanftmut und Gnade und hilft mir von Sünden, Tod, Teufel und Hölle; auf den bin ich getauft, an den glaube ich, bei dem bleibe ich und sterbe so dahin. So entläuft man dem Tod und aus diesem Leben und kommt in das ewige Leben.
  
Dies ist das erste Stück, das der Prophet Sacharja und der Evangelist aus dem Propheten verkündigen: Saget der Tochter Zion, siehe dein König kommt zu dir, barmherzig, gerecht und ein Helfer, er will dich fromm und gerecht machen. Daraus folgt, daß dieser König nicht dazu kommt, daß er die Menschen richte und in die Hölle stoße. Mose kommt, daß er Anklage und richte, Joh. 5, 45. Der Teufel kommt auch, daß er verklage, richte und töte. Richter, Könige, Kaiser kommen, daß sie richten und töten. Denn das ist der weltlichen Obrigkeit Amt, ihnen von Gott befohlen. Aber dieser König kommt nicht, daß er richte, sondern daß er helfe, von Sünden erlöse, verzeihe und vergebe. So sollen wir ihn erkennen lernen, und zu solchem Könige sind wir berufen. Gott gebe, daß wir ihn empfangen und bei ihm bleiben, Amen.
  
Das andere Stück ist, daß Lukas sagt, Christus habe über die Stadt Jerusalem geweint. Das Volk, das vorauszieht und nachfolgt, ruft ihm zu und spricht: Hosianna dem Sohn Davids; Gott sei gelobt, der König ist vorhanden, es hat nun keine Not (Luk. 19,37 f.). Aber er, der Herr, hebt an und sieht die Stadt an und weint. Ach, wenn du es wüßtest, sagt er, so würdest du auch zu dieser deiner Zeit bedenken, was zu deinem Frieden dient (19, 42). Er weint über die, welche diese Predigt nicht achten. Billig hätte er zürnen, mit Donner und Blitz drein schlagen sollen; er hätte das auch getan, so er sie nach ihrem Verdienst hätte richten wollen. Aber er weint, daß sie so ver-stockt sind und die Zeit ihrer Heimsuchung nicht annehmen wollen und sagt: Man wird dich, Jerusalem, erstürmen und jung und alt, alles erwürgen und dich schleifen (19, 43 f.).    

Das sagt er vor Jerusalem mit betrübtem Herzen und setzt die Ursache dazu und sagt: Solches wird dir widerfahren, »darum daß du nicht erkennet hast die Zeit, darinnen du heimgesucht bist« (Luk. 19. 44). Das ist, als wollte er sagen: Ich komme und suche dich mit Barmherzigkeit heim, bringe dir Hilfe und Trost, bringe dir Erlösung von Sünde und Tod und dazu das ewige Leben. Das tue ich aus lauter Güte und Barmherzigkeit, wäre dazu nicht verpflichtet noch schuldig. Und du solltest dagegen so voller Teufel sein, daß du solche Güte und Gnade, dir von mir angeboten, nicht nur nicht annehmen willst, sondern auch meiner dazu spottest? Das wird an dir kräftig gerächt werden.
    
Ebenso wird heutigen Tages das Evangelium gepredigt, man hörts reichlich, daß Christus solcher König sei, wie ihn dies Evangelium abmalt. Aber Bürger, Bauern und die vom Adel, die Fürsten und großen Herren dieser Welt verfolgen das Evangelium. Was will daraus werden? Christus besucht sie gnädig, bringt ihnen das Geschenk vor die Tür; sie schlagen ihn tot. Wie könnte einer toller sein, als wenn man ihm vor sein Haus Silber und Gold trüge und spräche: Das alles soll dein sein, tue die Hand auf und nimm hin - und er führe zu und stieße alles von sich undschlüge den tot, der ihm das Silber und Gold bringt? Da würden alle, die das sehen, sagen: Dieser ist besessen; es wäre auch die lautere Wahrheit. Aber hier ist nicht ein Sack voll Gulden, sondern ein anderer Schatz, nämlich: wenn du nicht mehr leben kannst und nun sterben sollst, will dir Christus zuvorkommen, dir solche Hilfe bringen, daß du das ewige Leben haben sollst. Und indem er dir solchen Schatz anbietet, wird er doch von dir weggestoßen und verachtet. Das beklagt er hier.

Darum wollen wir uns gut vorsehen. Gnadenreich ist dieses Königs Einreiten und Ankunft, und die Gabe, die er bringt, ist tröstlich. Aber wenn er verachtet und dazu verfolgt wird und man nicht glauben will, so weint er. So habe ich oft gesagt: Deutschland muß eine Plage treffen, es wird ein solch Blutvergießen werden, daß niemand wissen wird, wo er daheim sei. Alsdann wird dieser König zu dir sagen: Ich kam vor dein Haus, bot dir das ewige Leben an, du abergingest dieweil hin und soffst dich voll, tatest, was du wolltest, und verfolgst mein Evangelium noch dazu. So habe nun auch dies Unglück zum Lohn. So ging es zu Jerusalem auch zu. Da Christus dahin kam und sprach: Liebe Tochter, tue die Tür auf, hier kommt dein König. Was tat sie? Die Braut ging hin und hängte ihren König an den Galgen. Da machte ers auch so mit ihr, daß man nun nicht weiß, wo Jerusalem geblieben ist. Darum, ihr meine lieben Kinder, Jung und Alt, Klein und Groß, lasset euch nicht in den Sinn kommen, daß ihr denken und sagen wollet: Ich wills wohl noch lernen, sondern brauchet dieZeit, weil der Herr nahe ist, wie der Prophet Jes. 55, 6 sagt: »Suchet den Herrn, solange er zu finden ist, rufet ihn an, solange er nahe ist«. Werden wirs mißachten, da er die Tür zutut, so wird nichts mehr daraus; er wird uns wieder schreien und umsonst anklopfen lassen wie die törichten Jungfrauen, welche kommen, da die Tür verschlossen war, und sprechen: »Herr, Herr, tu uns auf«. Er aber antwortet: »Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht« (Matth. 25, 11 f.).

Darum sage ich: Hütet euch! Ihr seid jung, es kann geschehen, daß ihr das zukünftige Unglück über Deutschland erleben, sehen und erfahren werdet. Denn es wird ein Wetter über Deutschland kommen, und wird nicht ausbleiben. Gott hats der Stadt Jerusalem nicht schenken können, da so viel heilige Leute gelebt hatten und begraben waren, David und alle Propheten, ja da Gott selbst gewohnt hat. Jerusalem war sein Schlößlein und Kämmerlein, davon er selbst sagt: Hier wohne ich, mein Himmel ist hier; und dennoch hat Gott diese Stadt um der Sünde willen, welche heißt: die Zeit der Heimsuchung nicht achten, sogreulich gestraft und verwüstet.
  
Das sind Gottes Strafen für die teuflische Sünde, die da heißt: die Zeit der Heimsuchung nicht erkennen. Es ist wohl große Sünde, daß Bauer, Bürger, die vom Adel und jedermann so geizig sind; aber daß sie über diese Sünde hinaus Gottes Wort so verachten, das wird ihnen den Hals brechen. Da hütet ihr euch vor. Will uns unser Herrgott fallen lassen, so lasse er uns nur nicht in diese ewige Teufelssünde fallen. Denn über diese Sünde hat unser Herrgott hier selbst geweint. Dem jüdischen Volk hätten alle ihre Sünden nicht geschadet, wenn nur diese greuliche Sünde, die Verachtung der Heimsuchung, nicht dazu gekommen wäre. Denn Christus, ihr König, kam ihnen zu helfen. Aber wenn man nicht fromm sein will und Gottes Wort verachtet, da ist kein Rat. Darum seht euch vor, laßt euch Gottes Wort wohlgefallen, hörets, lesets, redet gerne davon, so tut ihr Gott den höchsten Dienst und euch den besten Nutzen. So es die Welt verachtet, das laßt euch nicht ärgern; sie wird dermaleinst erfahren und fühlen, was sie gemacht hat.  

So umfaßt dies Evangelium zwei Stücke: das erste, daß Christus ein Helfer zu jenem Leben ist, das andere, daß man Gottes Wort nicht verachte. Es jammert Christus der Stadt Jerusalem, als wollte er sagen: Jerusalem will geschleift sein und die Juden wollen in alle Welt zerstreut sein, dagegen hilft kein Bitten, das sehe ich. Sie wollen die Zeit der Heimsuchung nicht, sie fragen nicht danach, wie süß man ihnen auch predigt. Wohlan, wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen. Wer nicht allein schwach ist, sondern auch noch dazu die mit Füßen treten will, die ihn füh-ren und leiten, wer will dem helfen? Es ist zu viel, daß wir Sünder sind; wollen wir noch dazu den er würgen, der uns selig machen und uns tragen will? Das ist nicht eine menschliche, sondern eine teuflische Sünde; solche Leute sind mit viel Schock Teufeln besessen. Denn den totschlagen, der da kommt selig zu machen, das soll niemand tun als der leidige Teufel und die da voller Teufel sind. So mein Sohn mich totschlagen und erwürgen wollte, deshalb weil ich ihm helfe, so müßte ich sagen, er wäre toll und töricht.

So will nun unser Herrgott sein Wort geehrt haben, dies und nichts anderes; wo nicht, so soll es nicht ungerächt bleiben. Wir haben der Exempel genug, die Sintflut, die Städte Sodom und Gomorra, die Stadt Jerusalem. Vor dem Jüngsten Tage werden auch neue Irrtümer kommen, daß, wie Christus sagt, auch die Auserwählten in Irrtum werden verführet werden, wo es möglich wäre. Gott behüte uns und gebe uns seine Gnade, daß wir das Häuflein sind, die Christus gerne annehmen und singen wollen: Hosianna, Gott sei gelobet, daß wir diesen König haben und Christen sind und heißen, und daß wir wissen, warum und woher wir so heißen, nämlich von diesem Könige Christus, daß wir in seinem Namen getauft und in seinem Blut gewaschen sind. Nun, wir wollen das Hosianna singen und Gott bitten, daß wir dabei bleiben, Amen.