2. Advent

Das Kommen des Menschensohns
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,
26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Vom Feigenbaum
29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an:
30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist.
31 So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.
32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Predigt von Dr. Martin Luther vor ca. 500 Jahren.

In diesem Evangelium predigt der Herr vom kommen des letzten Gerichts und warnt und lehrt die Seinen, wie sie sich verhalten sollen. Er hält diese Predigt nicht den Gottlosen und Unchristen, sondern allein seinen Jüngern und Christen und teilt diese Predigt selbst in zwei Teile:
der erste Teil ist eine Weissagung, darin er verkündigt, wie es gehen werde, wenn der Jüngste Tag kommen wird. Der zweite Teil ist eine Ermahnung, dass man beten und immer wach sein soll, auf das man würdig sei diesem allen zu entfliehen, was geschehen soll, und vor des Menschen Sohn zu stehen.

Die gottlosen fragen nichts nach dem Jüngsten Tage, wenn er ihnen auch jetzt auf den Fersen wäre. Diese völlige Blindheit und unflätige Aussatz ist in der Welt, dass sich ein Mensch vor dem Tod nicht fürchtet, obwohl er weiß, dass er sterben muss. So ist nun jeder Tod, wie Augustin sagt, sein Jüngster Tag. Darum ist es ein schreckliches Ding, dass ein Mensch so sicher und sich vor dem Tode noch Jüngsten Tag fürchten soll, wie auch Augustin sagt: Ließ alle Bücher, so gibt es kein schrecklicheres Bild auf der Erde als der Tod, den man mit Sicherheit vor sich weiß, dass einer sterben muss, und dennoch in solchem Stand und Wesen lebt, aber nicht gerne sterben möchte. Ein zufälliger Tod ist nicht schrecklich im Vergleich zu solchem Tod. Es ist wohl schrecklich, wenn einer sich den Hals bricht, im Wasser ertrinkt oder sonst durch Zufall und plötzlich umkommt, also dass er vom Tod nichts weiß. Aber viel schrecklicher ist es, wenn einer weiß, dass er ewig verloren sein soll, und sich doch nicht darum kümmert. Darum ist der Tod dem nicht schrecklich, der sich vor dem Tode nicht fürchtet und vom Tode nichts weiß, wie die kleinen Kinder und Gläubigen sich nicht vor dem Tode fürchten und nichts vom Tod wissen. Aber das ist ein schrecklicher Tod, den man vor sich hat und in den man hinein muss, wie die Gottlosen und Ungläubigen den Tod vor sich haben und wissen, dass sie hinein müssen.

Wenn nun der Tod und das Jüngste Gericht, welches nach dem Tod kommt und den Gottlosen mit Sicherheit und alleine gilt, schrecklich ist, trotzdem verachten die Gottlosen in aller Sicherheit das Jüngste Gericht gleich wie sie auf den Tod nicht achten, den sie doch zu jeder Stunde erwarten müssen. Diese Sicherheit ist groß und schwer, weil sie solches in Bezug auf den ewigen Tod tun und ohne alle Sorge und Furcht dahin leben, ihr Saufen, Fressen, Geiz und andere Sünden und Laster nicht lassen wollen, bis sie der Jüngste Tag überfällt und sie mit Leib und Seele in die Hölle fahren und ewig verloren sind. Darum ist es jetzt ein schreckliches Ding in der Welt, dass das Saufen, Fressen, scharren, Geld zusammenkratzen und andere Laster so überhand nehmen, dass niemand dieses steuern und ändern kann. Es graut einem, dass einer unter diesen Menschen leben soll. Etliche denken sich zu bessern, fangen aber langsam an, etliche aber denken nicht daran sich zu bessern.

Darum predigt Christus hier allein seinen Christen und Gläubigen und tröstet sie, dass sie nicht erschrecken sollen, ganz gleich durch welchen Tod sie umkommen. Denn sie haben einen gnädigen Gott, der seinen lieben Sohn für sie gegeben hat, warum wollten sie sich denn fürchten? Glaubst du nun an Christus, und brichst du dir gleich den Hals oder ertrinkst im Wasser oder kommst auf eine andere Weise um, so schadet es dir nicht. Denn du hast einen gnädigen Gott und einen neuen Erlöser, warum wolltest du dich denn fürchten, da Gott dein Freund ist und Christus für Dich gestorben ist? Solchen Menschen, die sich damit abgefunden haben zu sterben, ist dieses Evangelium gepredigt, Gottlosen aber ist es nicht gepredigt. Denn wenn sie gleich die Zeichen der Zeit mit den Händen greifen, fragen Sie doch nichts nach. Darum lass man sie an den Galgen dahin fahren. Darum muss man sie in den Tod fahren lassen. Wir aber sollen unter dem Haufen gefunden werden, welches an Gott glaubt und ihn fürchtet, nicht als einen Richter, sondern als einen Vater.

So sagt nun Christus, werde es vor dem Jüngsten Tage zu gehen, die Welt wird grundsätzlich und schließlich scheußlich und schrecklich werden. Das Auge der Welt ist die Sonne. Um gleich wie ein Mensch grundsätzlich wird und verfällt, wenn er sterben soll - die Augen anfangen sich zu brechen, der Mund beginnt bleich zu werden: so wird es auch sein, wenn die Welt zerbrechen und ein Ende nehmen soll, ist Sonne wird dunkel werden, und Erdbeben werden geschehen, und den Leuten wird bange sein. In der Summe: Himmel und Erde werden sich stellen, als wollten sie sterben. Fürchtet euch aber nicht, wenn auch das Meer brausen wird und die Wellen hoch daher fahren, als wollten sie über euch zusammenschlagen.

Wenn ihr nun solches sehen werdet (sagt Christus zu seinen Christen, denn die Gottlosen verstehen nichts davon), sollt ihr nicht erschrecken, sondern seht fröhlich auf und hebt die Köpfe in die Höhe; denn es gilt euch, weil sich eure Erlösung naht. Denn bald darauf wird der Tag des Herrn kommen. Dann wird sich das ganze Spiel umkehren: die zuvor hier auf der Erde in diesem Leben reich, gewaltig, fröhlich und glücklich gewesen sind, werden dann traurig und verdammt sein. Und umgekehrt werden die Frommen und Gottesfürchtigen, die hier auf der Erde unterdrückt und elend sind, dann herrschen. Darum müssen die danach traurig sein, die jetzt Geld sammeln, zusammen scharren und- kratzen, dem Evangelium nicht glauben, nichts vom Tod hören wollen und sagen, si. E wollten 100 Jahre hier gut leben und unserem Herrgott sein Himmelreich überlassen. Ihr aber seid fröhlich und guter Dinge, denn der Tag eurer Erlösung ist nahe.

Diese süßen und lieblichen Worte wollte unser Herr Christus den Jüngern und seinen Christen gerne ins Herz schreiben, dass sie vor den Zeichen nicht erschrecken, sondern daran denken sollen, dass dies den bösen Buben gilt und nicht den Christen.

Das Gleichnis von den Bäumen, dass Christus seinen Jüngern und Christen gibt, damit er ihnen den Trost besser einprägen möchte, ist lieblich. Unser Herr Gott hat den Jüngsten Tag nicht allein in die Bücher, sondern auch in die Bäume hinein schreiben lassen, damit wir, so oft für die Bäume im Frühling ausschlagen sehen, stets an dieses Gleichnis und an den Tag des Herrn denken. Die Blätter an den Bäumen zeigen nicht den Winter an, dass sie frieren, schneien und kalt werden, sondern zeigen die fröhliche Zeit an, nämlich den Frühling und den Sommer. So sollt auch ihr, sagt Christus, wenn ihr diese Zeichen seht, fest der Meinung sein, dass die Zeit eurer Erlösung da ist, dass ihr von allem Unglück und aus diesem Jammertal erlöst werden sollt. So lehrt uns Christus hier, dass wir die Zeichen richtig ansehen und lernen und wissen, dass wenn die Zeichen erscheinen werden, uns unser Herr Gott aus der Welt und aus diesem Jammertal nehmen und in ein solches Leben setzen will, wo kein Unglück noch Traurigkeit sein werden. Die Gottlosen sehen die Zeichen nicht so an, aber die Christen folgen der Lehre Christi, ihres Herrn, und sehen die Zeichen als ein sicheres Zeichen ihrer Erlösung.

Es folgt nun die Warnung und Ermahnung, dass die Christen wach sein und beten sollen. Christus sagt, dass die Welt vor dem Jüngsten Tage fressen und saufen und der Nahrung wegen übermäßig sorgen, zusammen kratzen und -scharren werde, wie wir es jetzt vor Augen sehen. Man sagt dem einem deutschen Sprichwort: Je länger, je ärger, je älter je kärger. Die alten Leute sammeln Geld und können es nicht für sich nutzen, da sie doch nicht wissen, ob sie heute noch, geschweige denn morgen leben werden. So, sagt Christus, wird es auch gehen, wenn die Welt alt werden wird. Dann wird sie auch zusammen scharren und -kratzen und sie wird bauen, Pflanzen, freien und sich befreien lassen, wie er an anderer Stelle auch sagt (Lukas 17,26 folgende), wie zu der Zeit Noahs vor der Sintflut. Gott ließ die Welt durch Noah warnen und die Sintflut 120 Jahre zuvor verkündigen, aber was tat die liebe schöne Welt? Sie ließ es sich wie gegen eine Mauer geredet predigen, die Menschen aßen, tranken, freiten und ließen sich freien, bis zu dem Tag da da er zur Arche ging. Da ging es auch so zu: weil sie sich dessen am allerwenigsten versahen, überfiel sie die Sintflut und nahm sie alle dahin. Zu dieser unserer Zeit ist auch eine solche Weise, sorgen, fressen, saufen, dass es über alles Maß ist; es ist keine Treue, kein Glaube mehr in den Menschen auf Erden.

Darum warnt und ermahnt Christus seine Jünger und Christen und sagt: Seht euch vor, ihr lieben Kinder, „dass eure Herzen nicht beschwert werden mit fressen und saufen und mit Sorgen der Nahrung „. Denn wenn die Welt es am höchsten zusammenscharren wird, wird es ein sicheres Zeichen sein, dass der Tag meiner letzten Ankunft nicht ferne sein wird. Und dieser Tag wird schnell wie ein Wind kommen. Einen wird er dabei finden wie er das Geld zählt, den anderen saufen und schwelgen, den dritten tanzen und springen. Gleich wie ein Fangnetz die Vögel schnell überfällt und sie, ehe sie es gewahr werden, gefangen und erwürgt sind, so wird auch dieser Tag schnell und unversehens über alle kommen, die auf Erden wohnen. Darum hütet euch vor Fressen und Saufen und Sorgen wegen der Nahrung.

Es möchte wohl jemand sagen: Soll man denn nicht essen und trinken? Soll man sich denn nicht ernähren? Soll man nicht arbeiten und sorgen? Antwort: Ja, essen und trinken muss man, auch ist die Nahrung und Arbeit nicht verboten; sondern der Geiz ist verboten. Christus lässt seinen Jüngern und allen Christen zu, dass sie sich nähren, den Acker bauen und arbeiten. Denn er weiß es sehr gut, dass seine Christen, weil sie in dieser Welt sind, Essen, Trinken, Kleidung und Nahrung bedürfen und haben müssen. Die Sorge aber und den Geiz verbietet er. Wir sehen jetzt in der Welt, dass alles hoch hinaus will und steigt, was ein sicheres Zeichen dafür war ist, dass der Jüngste Tag nicht weit ist.

Deshalb sagt Christus: Wenn ihr solche Zeichen, dazu solche schreckliche Sicherheit der Welt, Saufen, Fressen, Zusammenscharren und Kratzen sehen werdet, so sollt ihr denken, dass eure Erlösung da ist. Seid nicht traurig, denn der Zorn geht über die Welt. Die wird an dem Tage mit ihren Kindern in einem Augenblick ganz tot sein. Ihr aber, meine Jünger und Christen, sagt Christus, seid nicht in der Welt, sondern seid allein Gäste und Fremdlinge darin, und die Welt ist nur eure Herberge. Darum seid immer wach und vergesst das Vater Unser nicht, sondern betet, dass Gottes Reich zu euch komme, wie ich euch gelehrt habe.

Es redet Christus hier aber nicht von natürlichem Schlafen oder Wachen, dass der Leib immer wachen und weder Tag und Nacht schlafen soll, was unmöglich ist. Sondern er redet von dem Geistlichen Wachen, dass unsere Seele und Geist allezeit wacht und dass wir fleißig beten und an den Jüngsten Tag denken. Wenn wir das tun werden, wird uns dieser Tag nicht schnell überfallen, wie er die Gottlosen überfallen wird. Wie auch Paulus 1. Thessalonicher Kapitel 5 einen Unterschied macht zwischen den Kindern der Finsternis und zwischen den Kindern des Lichts und in Vers 2 - 5 sagt: „der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, dann wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen können. Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis „.

So will nun Christus, dass wir wach sind und uns in Gottesfurcht und gutem Gewissen halten und beten sollen, dass wir aller Anfechtung und Jammer entfliehen und vor des Menschen Sohn würdig stehen können. Petrus lehrt auch so und ermahnt (2. Petrus 3,11 folgende): Wenn das alles soll so zergehen, wie müsst ihr da geschickt sein in heiligem Wandel und gottesfürchtigem Tun, das erwartet und eilt zu der Ankunft des Tages Gottes. Das verleihe uns allen unser Herr und Erlöser Jesus Christus, Amen.